
Gestern habe ich mit meiner Schülerin Emma improvisiert: wir haben ausprobiert, mit der linken Hand ein Ostinato (eine einfache, sich immer wiederholende Tonfolge) zu spielen und dazu mit der rechten Hand eine kleine Melodie zu erfinden. Und es passierte, was ganz häufig passiert: Emma kann mittlerweile ziemlich gut spielen, und deshalb möchte sie gleich mit der rechten Hand richtig schöne Melodien erfinden. Das Problem dabei ist, dass die Melodien so komplex waren, dass sie die linke Hand und das durchgehende Ostinato darüber vergass.
Dieses Phänomen kann ich ganz oft beobachten, bei mir selbst und auch bei meinen Schülern: dass man die rechte Hand nicht einfach oder langsam genug spielt, so dass man die linke wirklich ganz konsequent durchhalten könnte. Und doch ist genau das der Schlüssel zu einem beidhändigen Improvisieren. Ich sage dann immer: „Die linke Hand musst du so zuverlässig spielen können, dass über dir das ganze Haus zusammen brechen kann. Das darf dich nicht rausbringen“ ;-)))
Anstatt die gleiche Übung nochmal und nochmal und nochmal zu machen, dachte ich mir: okay, was ist das Prinzip des Ganzen? - Es ist die Unabhängigkeit der „Handlung“: mit der linken Hand zu spielen, egal was die rechte Hand macht - oder: was man sonst noch so nebenbei macht! Wir probieren das gleich mal aus: wie ist es, ein Ostinato mit links zu spielen und dabei..... ganz langsam unter den Flügel zu schauen? Oder.....mit den Augen zu kreisen? Emma probiert alles aus und findet nun auch Spaß an der ganzen Angelegenheit. Ihre Hausaufgabe diese Woche ist: drei Übungen zu erfinden, in welchen sie dieses Prinzip anwendet. Ich bin schon gespannt, was ihr alles einfällt!
Übefokus: Einfach mal was nebenbei machen
Überlege dir doch mal ein ganz einfaches „ostinato“, das du auf deinem Instrument spielen kannst. Du kannst z.B. einfach durchgehende Viertel spielen auf irgendeinem Ton, der dir gefällt. So. Und jetzt: lass doch mal, während du spielst natürlich, deine Augen kreisen. Erst in die eine Richtung, und wenn das gut geht, auch mal in die andere. Kannst du währenddessen deinen Rhythmus halten? Oder hat er irgendwo angefangen, ein bisschen zu wackeln?
Schön ist z.B. auch, sich eine Tafel Schoko neben das Klavier zu legen und – während des Spielens selbstverständlich – ein Stückchen zu nehmen, laaangsam zum Mund zu führen und zu kauen oooooohne dass der Rhythmus unterbrochen wird! Okay, diese Übung ist für Pianisten sehr viel einfacher als vielleicht für Cellisten oder Flötisten.... geb ich zu.
Und? Welche Übungen fallen dir heute ein, um „einfach mal was nebenbei“ zu machen?