
Etwas anderes noch klang in mir durch den Vortrag von Gerald Hüther an (vgl. vorigen Blogbeitrag). Ich möchte es mit Moshe Feldenkrais "Die (Wieder-)Entdeckung des Selbstverständlichen" nennen.
Hüther spricht davon, wie Gesundheit, Lernen, Beziehungen sich in gewisser Weise von alleine gestalten. Und meistens nehmen wir es für ganz selbstverständlich, dass das auch funktioniert.
Was wir oft einfach vergessen, das ist, dass wir wie selbstverständlich in ein Größeres Ganzes eingebettet sind, in unsere eigene Biologie, in unsere Gesellschaft, in unser ökologisches System. Wir verleugnen, dass wir auf unsere Umwelt angewiesen sind, auf die Natur, unsere Mitmenschen, unseren Körper. Wir halten es für ganz normal, dass all das um uns herum so funktioniert, und wenn einmal nicht, dann bilden wir uns ein, wir könnten alles reparieren, erkämpfen, manipulieren.
Mit dieser Haltung sind wir relativ weit gekommen, bis hierher. Aber jetzt scheint es so nicht mehr weiter zu gehen. Wir brauchen uns nur mal das Ringen um unser Wirtschaftssystem vor Augen zu führen, das kurz davor ist zu kollabieren.
Ich erinnerte mich hierbei an den Titel des Buches von Moshe Feldenkrais: „Die Entdeckung des Selbstverständlichen“*. Er beschreibt darin, wie unser Nervensystem funktioniert, und indem wir uns der Selbstverständlichkeit dieser Funktionsweise bewusst werden, können wir über uns hinaus wachsen, weil wir den Schlüssel zu unserer wirklichen Intelligenz gefunden haben.
Auch Dinge wie Gesundheit, Beziehungen, Lernen, also das, wozu wir ein hochentwickeltes Gehirn brauchen, nehmen wir eigentlich für selbstverständlich. Genau so lange, bis wir ernsthaft krank werden. Bis unsere Beziehungen zerbrechen. Bis unsere Kinder ihr Lernpensum verweigern. Dann können wir kaum glauben, dass das Selbstverständliche auf einmal nicht mehr funktioniert.
Doch es gibt eine geradezu unglaublich einfache Lösung. Indem wir uns auf unsere eigentliche Funktionsweise, unsere eigentliche Natur rück-besinnen, können wir einen neuen Weg beschreiten. Und zwar einen, der uns nicht zurück führt, sondern nach vorn, hinein in ein neues Bewusstsein. Ein Bewusstsein der Einfachheit, der Beziehungsfähigkeit, und auch der Demut vor unseren Mitgeschöpfen.
Was das alles mit Lernen zu tun hat?
Lernen wir doch einfach von den Kindern...
Übefokus: Körperintelligenz spüren
Setz dich ans Klavier. Schließe die Augen. Stell dir vor, du würdest jetzt dein Stück üben. Stell dir jedes Detail genau vor: wie du die Hände zu den Tasten hebst, wie die Muskeln in den Fingern sich für jeden Anschlag zusammenziehen. Kannst du fühlen, wie sich der Körper sofort dafür bereit macht, deine Vorstellung in die Tat umzusetzen?
Und jetzt stell dir vor, du würdest dein Stück ganz laut spielen. Wie verändert sich deine Körperspannung in den Armen, im Rücken, in den Beinen?
Und wie fühlt es sich an, wenn du dir vorstellst, ganz leise zu spielen? Fühl einmal hin, wie sensibel sich deine Fingerspitzen darauf einstellen, den Kontakt mit der Taste aufzunehmen.
Wenn wir beginnen, auf diese Weise regelmäßig unsere Körperintelligenz in das Üben mit einzubeziehen, kann unser Lernen nachhaltig werden. Indem wir scheinbar "Nichts" tun, können wir ganz andere innere Ressourcen nutzen.
Wie verändert sich dein Spiel, nachdem du diese Übung gemacht hast? Spielst du ruhiger, weniger hektisch? Souveräner? Hat sich dein Klang verändert?
Welche Ideen hast du für das nächste Mal, wenn du "nur" in deiner Vostellung übst? Auf welche Weise kannst du dein Stück noch spielen - ganz ohne Töne?