Mozart - oder wie scheinbare Missgeschicke den Unterricht bereichern

Maren kommt zur Stunde und erzählt, dass sie sich den rechten Arm etwas verletzt hat und deshalb mit rechts heute nicht spielen kann. Tja, wie gestaltet man ein Stunde mit einer Schülerin, die nur den einen Arm benutzen kann? Ganz klar: dann wird heute eben nur mit links gespielt... 

 

Maren übt im Moment ein Menuett von Mozart, welches dieser im zarten Alter von sechs Jahren komponiert hat. Die Töne sind zwar sehr einfach gesetzt, und doch ist bereits in diesem Stück der unverkennbare Mozartsche Stil vorhanden. 

Wir vertiefen uns in die kleine, aber dennoch so geniale Komposition: Wir untersuchen die ausgewogene Rhythmik, die so klar strukturiert ist und dennoch niemals leblos wirkt. Wir bewundern die Melodie, welche ebenso einfach wie erhaben klingt. Wir entdecken die Raffinesse von Phrasierung und Artikulation. Und nehmen uns die Zeit, heute einmal den Kommentar zur Notenausgabe am Anfang des Heftes in Ruhe zu lesen. Dabei erfahren wir, dass Mozart dieses Menuett ursprünglich für Geige und Cello komponiert hat.

 

Das inspiriert uns dazu, diese „Rollenverteilung“ auf dem Klavier nachzuahmen, indem Maren die Bassstimme mit ihrer gesunden linken Hand spielt und ich die Melodiestimme mit der rechten. Heraus kommt ein kleiner musikalischer Dialog, in dem wir vieles umsetzen, was wir vorher theoretisch erarbeitet haben. 

 

Am Ende der Stunde sind wir beide begeistert: davon, dass uns das scheinbare Missgeschick des kranken Armes dahin geführt hat, diese kleine Komposition, diese wenigen Töne einmal in solcher Tiefe zu studieren. 

So steckt in vielen Situationen, die uns zunächst vielleicht lästig erscheinen, ein kleines Geschenk. Wir können es „öffnen“, wenn wir uns auf die Situation einlassen, statt gegen sie anzukämpfen. Maren und ich haben einfach geschaut, wie sich der Unterricht entwickelt und wohin uns unser Interesse und die Lernsituationen führen. Und wir haben von dieser Stunde mindestens ebenso viel gehabt wie von einer "normalen" Stunde, in welcher es darum gegangen wäre, beide Hände zusammen zu spielen und der Spielanleitung möglichst fehlerfrei zu folgen.