
Letzte Woche arbeitete ich mit einer erwachsenen Schülerin am Klang. Da ich weiß, dass die Schülerin viel Erfahrung mit Körperarbeit, vor allem mit Feldenkrais hat, fanden wir es eine gute Idee, die achtsame Beobachtung des Zusammenspiels zwischen Körper und Instrument miteinzubeziehen. Ich gab ihr die Aufgabe wahrzunehmen, wie sich ihr ganzer Körper bewegt, wenn sie spielt, und bat sie auch zu beobachten, ob verschiedene Spielweisen verschiedene klangliche Ergebnisse hervorrufen.
Im nächsten Schritt sind wir ganz vom Klavier weg gegangen. Die Schülerin legte sich auf meine Feldenkrais-Liege und ich habe sie angeleitet, ihren Atem bewusst wahrzunehmen. Ich bat sie auch wahrzunehmen, wie die bewusste Beobachtung des Atems die Auflage des Körpers auf der Liege verändert. Der Körper beginnt, sich von alleine neu zu organisieren, wenn ihm durch ruhige, achtsame Focussierung der Raum gegeben wird, eine bessere Funktionsweise entstehen zu lassen.
Dafür müssen wir eigentlich nichts tun. Im Gegenteil: es ist ein ebenso natürlicher wie genialer Prozess, mit dem sich unser Körper von alleine in die Balance bringt.
Als die Schülerin sich wieder ans Klavier setzte und spielte, zeigte sich, dass die bewusste Verbindung mit dem Körper es möglich macht, in kurzer Zeit eine Klangqualität entstehen zu lassen, die ansonsten manchmal nur in monatelangen Übeprozessen am Instrument zu erreichen ist: der Klang war runder, angenehmer, tragender, singender – ohne dass sie etwas willentlich an ihrer Spieltechnik verändert hätte.
Übefokus: Deinen Körper und deinen Atem wahrnehmen
Spiele ein einfaches Stück oder eine einfache Übung. Hör dir selbst zu: wie würdest du deinen Klang jetzt beschreiben? Weich oder eher hart? Rund oder eher eckig und spitz? Leise oder laut? Füllt er den Raum aus oder bleibt der Klang klein?
Und jetzt suche dir einen Platz, an welchem du dich hinlegen kannst: entweder auf den Boden (mit einer Matte oder Decke unter dir) oder auf dein Bett. Mach es dir bequem. Du kannst etwas unter den Kopf legen, etwa ein Kissen, und die Beine entweder lang machen oder die Füße auf dem Boden aufstellen.
Nun nimm einmal wahr, wie dein Kontakt zum Boden ist. Wo spürst du deinen Körper direkt auf dem Boden aufliegen und wo nicht? Spüre deine rechte und deine linke Schulter und beide Arme. Lass dir Zeit, sie wirklich wahrzunehmen. Wie ist der Kontakt deines Rückens zum Boden? Liegen beide Seiten gleich auf oder spürst du kleine Unterschiede? Wie liegt dein Becken? Wie schwer fühlt es sich an? Oder wie leicht? Und deine Beine: fühlen sie sich gleich lang an? Wie liegen deine Füße auf?
Und nun wende dich deinem Atem zu. Nimm ihn wahr. Spüre den Rhythmus deines Atems: den Einatem - den Ausatem. Wo spürst du deinen Atem? Im Brustraum? In den Rippen - vorne, hinten,
seitlich? Im Bauchraum? Fühl einmal, ob sich dein Atem auch in deine Beine ausbreiten kann. Und in deine Arme. Nimm einfach alles so wahr wie es ist, ohne etwas verändern zu
wollen.
Wenn du einen guten Kontakt zu deinem Körper und deinem Atem gefunden hast: stehe ganz langsam auf und setz dich wieder ans Klavier. Nimm deinen Atem und den Körper auch hier, im Sitzen, wahr.
Und nun spiele dein Stück vom Anfang noch einmal. Wie ist der Klang jetzt? Welche Begriffe passen jetzt, um die Klangqualität zu beschreiben? Leiser? Lauter? Voller? Runder? Angenehmer?
Welche Worte fallen dir ein, um deine Klangqualität jetzt zu beschreiben?